Sommerfrische

Sommerurlaube verbringt mein Familienverbund wie unsere Vorfahren.
Kein Hotel, kein All-Inclusive, keine Pauschalreisen.
Die eigene Scholle muss her. Am liebsten im Süden. Reisen in die Berge kamen für Elisabeth nicht in die Tüte.

Die eigene Scholle hat für uns die Form eines Apartements oder noch lieber eines netten Ferienhauses im Stil des Landes, fernab von Touristenströmen und Ladenzeilen.
Man kann lokale Wochenmärkte besuchen und das Erlegte zu Hause oder an einem anderen schönen Fleckchen verzehren. Ohne Fremdbestimmung oder gar Animation. Herrlich!

Für mich die einzige Art der Sommerfrische, verbringe ich doch schon fast meine gesamte Arbeitszeit in Hotels. Ein tolles Frühstücksbuffet? Habe ich schon in allen Variationen gesehen und gegessen. Nichts geht über ein Buttercroissant aus dem kleinen Bäckerladen um die Ecke, sollte man in Frankreich weilen. Selbstgekauft und den Verzehrzeitpunkt selbstbestimmt.

Elisabeth und Ernst haben bereits in den Sechzigern ihre Urlaube so verbracht. Zuerst mit Wohnwagen und Zelt, später in einer Eigentumswohnung auf den kanarischen Inseln. Zu Anfang war das sicher eine finanzielle Entscheidung. Hotels mit der ganzen Familie wären nicht drin gewesen. Später wollten sie auf den Charme der Selbstbestimmung nicht mehr verzichten.

Gerne erinnere ich mich an lange Strandtage auf Fuerteventura in den Siebzigern. Der Urlaub fing bereits im Flugzeug an, weil man Dreiviertel der anderen Fluggäste persönlich kannte. Jeder war mit Übergepäck unterwegs, weil man an der eigenen privaten Scholle in Form eines Hauses oder einer Wohnung noch zu renovieren oder anzubauen hatte. Bohrmaschinen wurden mitgeschleppt oder auch sanitäres Zubehör, das zu der Zeit in einer lokalen Ferreteria nicht zu bekommen war.

Abends wurde gekocht oder man ging in großer Runde essen.

Jedoch betreibt sich die private Scholle in der Sommerfrische nicht ohne persönlichen Einsatz.  Es muss eingekauft, gekocht und gewaschen werden. Hier sind meist die Familienmanager in der Aggregatsform „Mutter und Ehefrau“ gefragt.

Und nun kommt wieder eine von Elisabeths Geschichten ins Spiel. Gerne blickte sie auf die Urlaube auf Fuerteventura zurück. Vor allem auf die interessanten Charaktere, die man kennenlernen konnte, wie zum Beispiel einen Tauchlehrer, der an beiden Handgelenken und an einem Fußgelenk eine Armbanduhr trug.

Die großen Abendessen kochten sich aber nicht von alleine, wie Elisabeth zu berichten wusste. Erhitzt vom Strandbesuch begaben sich Freunde und Familie in die Badezimmer, um sich hübsch zu machen. Man traf bei Ernst und Elisabeth zum Thunfischessen ein, wurde von einem kleinen hellblonden Mädchen angestupst, dass dringlich darum bat, ihm den Kronenkorken von einer weiteren Flasche Schweppes Limon zu entfernen (ohne dass ihre Mutter es merkte) und wo, ja wo war Elisabeth? Noch im Strandkleid mit sandigen Füßen in der winzig kleinen Küche, Bratpfannen schwingend. Alles sollte rechtzeitig fertig sein.  Da war einfach noch keine Zeit gewesen, zu duschen und sich in ein schickes Sommerkleidchen zu werfen.

An diese Geschichte musste ich heute denken, als ich als letztes Familienmitglied meinen Fuß in die Dusche setzte. Nicht ohne vorher das Abendessen gerichtet zu haben. Der frischgebadete Gatte war auf der Couch eingeschlafen. Die Dusche war voll mit Sand  und das Wasser wollte nicht mehr richtig ablaufen, nachdem zwei Teenager ihre Astralkörper eingeschäumt hatten. Nach 10 minütiger Reinigungsaktion wurde ich des Bikinis ansichtig, den Kind 2 dort patschnass liegengelassen hatte. Eine Kaskade von Sand ergoss sich in die eben gereinigte Duschwanne.

Das ist der Moment, wo man auch in der Sommerfrische zum Serientäter werden kann. Nach erfolgreicher Dusche meinerseits wurden die bei mir ansässigen Pupertiere darauf hingewiesen, dass ich alle ihre Babybilder auf Instagram einstelle und mit wohlmeinenden  mütterlichen Kommentaren versehe, sollte ich noch einmal eine Duschwanne so vorfinden. Das saß.

Und eine kleine Rache habe ich mir noch gegönnt. Habe heimlich und schamlos alle sonst so wohlgehüteten Shampoos und Duschgels der oben genannten Kreaturen benutzt und rieche jetzt nach Vanillepudding im Tropenwald.

Wohl bekomms!